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Keine Zahl, keine Rückennummer, kein „Symbol“ möchte man schon fast sagen, hat in den letzten Jahren beim VfB für so viel Aufsehen gesorgt. Seit Jürgen Klinsmann, unvergesslich vor allem mit meinem persönlichen Tor des Jahrtausends beim 3:0 am 14.11.1987 im Neckarstadion gegen den FC Bayern München, hat kein Stuttgarter Angreifer im Trikot mit dem Roten Brustring solch eine nachhaltige Wirkung hinterlassen. Damals vollbrachte er dies noch mit der „9“ auf dem Rücken.
Da unser Mario mittlerweile den Club aus der Bayrischen Metropole endlich hinter sich gelassen hat und derzeit, mit Ausnahme seiner aktuellen Verletzung , recht erfolgreich im toskanischen Florenz kickt, habe ich mich dazu durchgerungen ein paar meiner Gedanken zu ihm loszuwerden.
„Mario Gomez und der Ball geht rein“ so hallte es häufig im Vorfeld vieler Spiele über die heimische Soundanlage oder in der Fußballarena am Neckar. Es war klar, die Rote Tor Fraktion spielte ihre Hommage an den begnadeten Stuttgarter Stürmer. Er war ein wichtiger Bestandteil für die schwäbische Erfolgsserie vor, während und auch nach der Meisterschaft 2007, eines der größten VfB-Talente der letzten Jahre und eine wahre Stuttgarter Identifikationsfigur.
2004 gab er beim Spiel gegen den Hamburger SV sein Debüt und setzte den Ball gleich einmal an den Pfosten. Damals noch extrem braun gebrannt, so ist er mir bis heute in Erinnerung geblieben. Zusammen mit der 30er Trikotnummerreihe um Träsch und Gentner stieß er immer wieder zur ersten Mannschaft dazu. Sein Wechsel nach München hat bis heute tiefe Spuren beim VfB hinterlassen. Nicht nur, dass kein geeigneter Nachfolger gefunden wurde und die sportliche Berg- und Talfahrt nicht gestoppt werden konnte, auch das erhaltenen Geld lastet wie ein Fluch auf dem Verein und noch darauffolgende Transfererlöse wie bei Khedira, Träsch, Schieber oder Tasci konnten nur in beschränktem Maße sinnvoll reinvestiert werden. Er selbst konnte die emotionalen Reaktionen vieler Fans beim Wechsel zum Regionalrivalen an der Autobahn 8 entlang nicht ganz verstehen und hatte diese auch eher falsch eingeordnet. Das bekamen wir dann häufig bei den Wiedertreffen schmerzlich zu spüren.
Zu Füßen von Da Vincis Michelangelo setzt Mario Gomez nun seine Karriere außerhalb seiner Heimat fort. Bei den Bayern aus unverständlichen Gründen in Ungnade gefallen, in der Nationalmannschaft ebenso stiefmütterlich behandelt, hat er es vorgezogen, nach Italien zu wechseln, und das gerade in Zeiten des Bundesliga-Booms. Es stellt sich die Frage nach dem „Weshalb?“. Nun, blickt man auf seine Auftritte in und für Deutschland zurück, ist dies keinesfalls verwunderlich. Seit seinem Fauxpas bei der Europameisterschaft 2008 gegen Gastgeber Österreich wird er permanent, auch im Dress mit dem Bundesadler, ausgepfiffen. Ohne Ausnahme. Der negative Höhepunkt war dabei sicherlich der Auftritt in Kaiserslautern. Dabei kann es nicht an seinen Leistungen liegen.
Natürlich, in der Nationalelf lief nicht immer alles nach Plan, er hatte teilweise starke Anpassungsschwierigkeiten. Aber in der Bundesliga ist er einer der effektivsten Stürmer der näheren Vergangenheit. Blickt man auf die Statistiken braucht er sich nicht vor Lewandowski, Dzeko, Pizarro oder Mandzukic zu verstecken. Je nach Quelle und Verfasser des Rankings liegt er sogar auf Platz 1. Dennoch werden seine Leistungen hierzulande nur von den wenigsten angemessen gewürdigt.
Das sieht auf internationaler Bühne ganz anders aus. Del Bosque, seines Zeichens Nationaltrainer von Welt- und Europameister Spanien wünschte sich solch einen Stürmer vor allem bei der vergangenen Europameisterschaft sehnlichst, als er zeitweilig im ungeliebten System ohne richtigen Stürmer mit Fabregas anstelle von Villa oder Torres spielen musste. Bei Gomez‘ Vorstellung nun in Florenz brandete wahre Begeisterung und Verehrung durch die altehrwürdige Arena „Stadio Artemio Franchi“. Die Florentiner feierten ihn wie einen wahren Helden.
Sicherlich die aktuelle „Fußballmode“ hat sich weitestgehend vom Zweistürmersystem abgewandt und hin zur Einstürmer-,
teilweise zur Kein-Stürmervariante entwickelt. Doch dies hat den Verfall des klassischen Angreifertyps à la Mario Gomez herbei geführt. Ähnlich wie Ibrahimovic, Luca Toni, Torres, Drogba oder Higuain
liegt er aktuell nicht im Trend. Es sind alles Stürmer, die einen weiteren Mann neben sich benötigen, der sie unterstützt. Bleibt nur offen, wie lange diese Modeerscheinung noch anhält.
Vielleicht ist nach dem nächsten großen Turnier wieder alles anders, sollte eine Mannschaft mit einem anderen Spielsystem den Titel holen. Ich bin sehr gespannt. Eventuell ermöglicht ihm das auch
einmal eine Rückkehr in die Heimat, in die Bundesliga. Eine Rückkehr nach Hause.
Ich wünsche Mario Gomez in diesem Sinne, als ewig unvergessenen Träger des Roten Brustrings alles Gute, viel Erfolg. National wie International. Mach‘ uns von nun an wieder stolz!
Euer Gunther