VfB...ICU

VfB...ICU

 

Das war knapp. In gut einer Woche startet unser VfB in die neue Bundesliga-Saison. Die Auftritte am Samstag im Pokal und auch schon zuvor gegen Manchester City, wenn auch sicher mit einigen Abstrichen, geben Hoffnung. Ein paar Gedanken zu den letzten Monaten mit dem „Patienten VfB“ nun in einer etwas anderen Betrachtungsweise, aus einer anderen Perspektive.

 

Der Raum ist dunkel. Licht durchbricht die nur halb heruntergelassene Jalousie der Schiebetür. An den Wänden flackern einige Bildschirme, mehrere LED blinken. Doch es ist alles andere als still. Von den Gängen vor der Tür hallt es. Mal mehr, mal weniger laut. Man kann Schritte hören. Schnelle und langsame. Rufe. Geschrei. Ab und an gibt es Alarmtöne, ein Piepsen. Eines der unzähligen Geräte, die sich noch im Raum befinden, sorgt sich nach Hilfe. Dann kommt urplötzlich jemand durch die Tür, betätigt ein paar Schalter, schaut kurz nach dem Rechten und ist dann wieder weg. Man kann ein Schnaufen hören. Regelmäßig. Mehrmals pro Minute kommt es. Und geht wieder. Mittendrin ein metallisches Klacken. Ein Ventil. Dann kommt der Blasebalg. Immer und immer wieder. Kontinuierlich. Und in mitten all der Geräte, ein Bett. Alle Apparate versammeln sich um dieses Bett. Es führen Kabel und Schläuche in dieses Bett hinein, und heraus. Hier liegt er, der Patient VfB. Auf der ICU - Intensive Care Unit.

 

Wie konnte es soweit kommen? Was ist nur geschehen? Wie ist das passiert? Wie soll es nun weiter gehen?

 

Schauen wir ein paar Wochen zurück. Es ist März. Am Freitag, den 13. spielt zu abendlicher Stunde unser VfB in Leverkusen. Nach Wochen der Punkteteilungen oder gar Nullrunden, auch gegen direkte Konkurrenten wie Berlin, Hannover oder Hoffenheim steht der Verein mit dem Roten Brustring auf dem letzten Platz. Letzter. Nicht das erste Mal in dieser Saison. Nicht das erste Mal in den letzten Jahren. Die Krankheit zeichnet den Verein. Sie schlaucht. Der Klub kann sich davon nicht befreien. Keine Genesung. Und was sollte sich heute schon ändern. Gegen Leverkusen. Selbst in guten Zeiten lief es hier meistens schlecht. Hier am Rhein. Meistens ein Reinfall. Doch an diesem Abend, wird alles anders. Heute wird eine komplett neue Richtung eingeschlagen. Der VfB bricht zusammen. 0:4.

Das Ende. Schier leblos liegt der Verein am Boden. Ersthelfer eilen herbei. Sie checken: bewusstlos, keine Atmung vorhanden. Sie fangen an zu drücken. Sie beatmen. 30:2. Sie waren zügig vor Ort.

 

Nur eine Woche später: der VfB schleppt sich auf den Platz. Gewinnt aus heiterem Himmel 3:1 gegen Frankfurt. Alles scheint gut. Vordergründig. Aus den nächsten beiden Partien werden drei Punkte erkämpft. Der VfB lebt. Doch in Augsburg verliert der VfB erneut das Bewusstsein. Stürzt. Es wird erneut reanimiert. Aber vielleicht zu spät. Gegen Freiburg und gegen Schalke scheinen sich Phasen der Erholung zu zeigen. Diese sind aber nur von kurzer Dauer. Am 02.05. fällt der VfB ins Koma. Tiefe Trauer.

 

Hilfe ist zwar gekommen, aber vielleicht zu spät? Hat es zu lange gedauert? Hätte man nicht schon früher eingreifen und den Verein genau unter die Lupe nehmen, ihn durchleuchten müssen? Eventuell hätte ein einfacher Gesundheitscheck ausgereicht, um das schwache Herz zu erkennen. Es folgen Tage der Ratlosigkeit. Der VfB wird auf die Intensivstation gebracht. Da liegt er nun. Der Patient VfB. Angeschlossen an eine Vielzahl an Überwachungsmonitoren, Blutdruck- und Temperaturmessungen. Die Ausscheidung wird penibel kontrolliert. Funktionieren die anderen Organe noch? Die Leber? Die Nieren? Die Lunge? Ja, das Gerät mit den Schläuchen ist der Beatmungsapparat. Der VfB wird beatmet. Auf den Monitoren sieht man seine Herzaktionen. Das Herz, es pumpt. Aber es pumpt schwach. Viele Medikamente sind nötig, um es zu unterstützen. Sie führen durch mehrere Katheter in den Patienten hinein. Alleine kann der VfB im Moment nicht leben. Ohne all das, wäre jegliche Hoffnung verloren. Was kann man jetzt noch tun? Im Moment nicht viel. Warten und hoffen. Mehr nicht. Täglich wird das Herz untersucht. Per Ultraschall. Wie stark ist die Pumpfunktion. Geht es bergauf oder bergab? Kann man Medikamente reduzieren oder muss man sie ergänzen? Hoffentlich kommt es zu keiner Infektion.

 

Der 32. Spieltag. Mainz ist zu Gast. Das schwache Herz des VfB, es scheint sich zu fangen. 2:0. Aufgegeben hat noch keiner. Doch bereits eine Woche später muss erneut reanimiert werden. Gegen Hamburg. Das Personal ist schnell im Zimmer. Auf den Monitoren hat man sofort die bedrohliche Situation erkannt und der markante Alarm hat alle Anwesenden aufhören lassen. Nach nur wenigen Minuten ist der Patient VfB wieder stabil. Und macht einen Riesenschritt. Noch am Abend des gleichen Tages sieht alles ganz anders aus. Doch um die Schlafmedikamente abzustellen ist es noch zu früh. Viel zu früh. Der VfB bleibt weiter im Koma, muss weiter beatmet werden.

 

Es ist der 23.05.2015. Schon früh läutet erneut der Alarm. Herzalarm. Kammerflimmern. Während bereits reanimiert wird, erfolgt parallel der Anschluss des Defibrillators, ein Elektroschocker. Es wird geschockt. Energie von 200 Joule durchströmt den Körper. Danach wird sofort weiter auf den Brustkorb gedrückt. Keine Pause. Dazu werden Medikamente gegeben. Adrenalin. Das ist Adrenalin pur. Es dauert. Keine Reaktion. 32 Minuten später, nach mehreren Defibrillationen und Adrenalin- Gaben, das erste Lebenszeichen. Das Herz schlägt wieder alleine. Vorerst stabil. Bange Minuten. Bleibt der Zustand so stabil? Oder war alles vergeblich? In der 72. Minute dann die vermeintliche Erlösung. Der Blutdruck stabilisiert sich. Die herzunterstützenden Medikamente können langsam reduziert werden. Im Ultraschall zeigt sich das Herz mit einer guten Pumpfunktion. Das Blut strömt gut. Es sind keine bleibenden Schäden zu erkennen.

 

Dennoch entscheidet man sich im Nachlauf der Saison zügig zum Einsetzen eines Herzschrittmachers. Alexander Zorniger soll zusammen mit Robin Dutt den Verein in stabilere Zeiten führen, den Takt vorgeben. Doch noch kann der Patient VfB die Intensivstation nicht verlassen. Die lange Zeit der Rekonvaleszenz beginnt. Erholung. Weiterhin steht der komplette Patient im Fokus. Alle Regungen werden beachtet. Doch die folgenden Phasen bleiben glücklicherweise unauffällig. Das Herz-Kreislauf-System stabilisiert sich weiter. Die Medikamente werden weiter reduziert und man entschließt sich, den Patient wach werden zu lassen. Noch kann man bleibende Schäden im Kopf nicht ausschließen. Auch wenn der Patient VfB während des Aufenthalts in der Intensivstation mehrfach in der Röntgenröhre war und verschiedene Bilder, auch vom Kopf, gemacht wurden. Die Schlafmedikamente werden ausgestellt. Es dauert.

 

Am 08.08.2015 wird dann der Beatmungsschlauch gezogen. Der Patient VfB atmet von nun an wieder alleine. Das schwierigste scheint überstanden zu sein. Doch noch ist der Patient VfB nicht kontaktierbar. Das Herz schlägt zwar alleine, der Blutdruck ist ohne die Hilfe von Medikamenten stabil, die Atmung ist ausreichend und ebenfalls ohne Support, doch noch hat der Patient VfB die Augen nicht wieder geöffnet. Es steht nun die Verlegung auf eine Überwachungsstation an. Was der Patient VfB nun benötigt ist Zeit. Zeit und Ruhe.

 

Zeit und Ruhe um sich zu erholen und weitere Etappen der Rehabilitation in Angriff zu nehmen. Erst dann kann man den nachhaltigen Erfolg der Therapie erkennen und bewerten.

 

In diesem Sinne wünsche ich allen Angehörigen des VfB, insbesondere den Schwabenfreunden NordWest viel Kraft, viel Mut und vor allem viel Geduld mit unserem Verein mit dem Roten Brustring für die neue Saison. Die ersten Schritte sind getan, die ersten Maßnahmen wurden vollbracht oder sind bereits eingeleitet. Was wir jetzt brauchen sind Ruhe und Zeit.

 

Euer Gunther

 

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