1. September 2013
Schneider! Bitte übernehmen Sie.
Abwehrspieler, Deutscher Meister 1992, Deutscher U17-Meister 2013, Ur-VfB’ler … und ein Zeckenbiss. Das klingt, mit Ausnahme des letzten Zwischenfalls, alles recht gut und ordentlich. Unser neuer Trainer, seit dem 26. August 2013 als Nachfolger von Bruno Labbadia: Thomas Schneider. Zu seinem Amtsantritt ein kleines Portrait, etwaige Perspektiven und ein kleiner Ausblick.
Ich habe mir lange überlegt, in welcher Art und Weise, wann, wie und ob ich überhaupt einen Artikel zu den aktuellen Geschehnissen bei unserem VfB schreiben soll. Wieder leicht provokant wie beim letzten Mal? Oder doch eher die harmonische, ruhige Schiene? Gedankenanstoßend, kritisch? Oder gar aggressiv, voller Emotionen? Die zuletzt angeregten Diskussionen, in welche Richtung auch immer sie dann auch ausgeufert sind, haben gezeigt, wozu Worte und in Schrift gefasste Gedanken doch fähig, und sicherlich auch nützlich, sein können.
Ganz gleich welchen Weg man einschlägt, das Ziel bleibt dasselbe, man möchte Leser, Menschen, damit erreichen. Welchen Stil man wählt, das bleibt wohl dem Autor überlassen.
Den Vorteil, den die Schriftform zweifelsohne bietet, ist die überlegte Wortwahl, zumeist auch mit genügend Abstand zu den jeweiligen Geschehnissen. Schließlich werden diverse Zeilen oder ganze Abschnitte mehrfach getrimmt, nochmals umgeworfen oder entsprechend modifiziert, bis daraus, so hoffe ich zumindest, ein stimmiges Ganzes entsteht.
Nun gut, zum Thema. Thomas Schneider, gebürtiger Rheinhausener und nun ehemaliger Jugendtrainer des VfB, ist ein echtes Urgestein. Als Spieler begann er die Karriere beim Club mit dem Roten Brustring bereits 1983 in der Jugendabteilung. Acht Jahre später wechselte er innerhalb des Vereins in den Amateurkader und später in die Profiabteilung. 2003 ging es für ihn nach Hannover und dort musste er zwei Jahre später seine Karriere aufgrund einer nicht, beziehungsweise dann zu spät, diagnostizierten Borreliose, häufig übertragen durch einen Zeckenbiss, vorzeitig beenden.
Im Jahre 2011 begann er schließlich seine Trainertätigkeit im neu ausgerichteten Jugendbereich des VfB. Mit der U17 holte er zunächst die Vizemeisterschaft und wurde ein Jahr später gar Deutscher Meister.
Nicht zuletzt diese beachtlichen Erfolge, sowie seine ausgezeichnete Umgangsweise mit Eigengewächsen und seine erkennbare Philosophie dürften ihm den Platz auf der Trainerbank eingebracht haben. Dabei stand Schneider schon mehrere Male vor großen Veränderungen. Die Rufe, ihn als Co-Trainer zu installieren, wurde von Fredi Bobic mit der Aussage abgewehrt, dass Thomas Schneider nicht der Typ sei, um in der zweiten Reihe zu agieren, er sei ein voller Trainer, ein Chefcoach. Desweiteren hatte der FC Bayern München auch seine Fühler nach dem Jugendtrainer ausgestreckt und wollte nach Marc Kienle auch diesen in seine eigenen Reihen lotsen. Doch auch hier konnte Fredi Bobic gute Überzeugungsarbeit leisten und ihn beim VfB halten.
Seine Philosophie wird von vielen Seiten mit den Attributen „dominant“, „mutig“ und „ständig angriffsbereit“ beschrieben. Die U17 des VfB spielte so auch erfolgreiche zwei Spielzeiten unter Thomas Schneider und krönten dies verdient mit dem Meistertitel beim 1:0 Erfolg gegen die Jugend von Hertha BSC Berlin im Juni diesen Jahres.
Seine Situation jetzt mit der Ersten Mannschaft ist nicht gerade einfach. Ich persönlich halte ihn für eine absolut richtige Wahl. Alternative Kandidaten, wie ein Rainer Adrion wären auch aus der gleichen Ecke gekommen. Dieser Typ von Trainer verkörpert wichtige Bestandteile des Vereins, er kennt diesen und hat diese Philosophie und Einstellung, diese Mentalität lange Zeit gelebt und baut auch darauf.
Diese Einstellung hilft ihm dabei nicht nur im Hinblick auf den Verein selbst, die Spieler, sondern auch in Bezug auf die Fans.
Kritisch finde ich einzig und allein den Zeitpunkt. Wäre dieser Schritt nicht eventuell zur Winterpause hin richtiger gewesen? Wieso setzt man diesen Trainerneuling in der Bundesliga gleich so einem gewaltigen Druck aus? Hier liegt die große Gefahr, die man auch häufig bei zu jungen Spielern vorfindet, sie werden schlicht und einfach verheizt. Ob das auch bei Thomas Schneider so sein wird, das werden wir sehen.
Die ersten Änderungen konnten wir bereits beim unglücklich verlaufenden Pflichtspieldebüt in der Europa League-Qualifikation erkennen. Das Spielsystem wurde von einem 4-2-3-1 auf ein alt bewährtes 4-4-2 mit einer flachen Sechs umgestellt. Dafür hat man auch einfach die passenden Spielertypen, gerade auf der 6er-Position und auch im Sturm. Wobei euch eine Rückkehr zum alten System stets möglich bleiben sollte, alleine aufgrund des zusammen gestellten Kaders.
Bleibt abzuwarten, welche Spieler sich bei ihm gerade durchsetzen und empfehlen können und wie sein Umgang mit den talentierten Jugendspielern sein wird. Wie solch ein Projekt durchaus positiv gehandhabt werden kann, ist bei Christian Streich in Freiburg zu sehen, wenngleich man die beiden Trainertypen nicht direkt miteinander vergleichen kann.
Ob sich eine Handschrift erkennen lassen wird, davon gehe ich nicht unbedingt aus. Seinem unmittelbaren Vorgänger wurde dies stets vorgeworfen. Aber ist eine Handschrift im modernen Fußball überhaupt noch von Nöten? Bedeutet, eine Handschrift erkennen zu können, nicht gleichzeitig auch für andere ausrechenbar zu sein? Stellt die Variabilität, wie sie schon ein Jürgen Klinsmann versucht hat einzuführen und dies nun beim US-Team auch erfolgreich geschafft hat, nicht ein viel größeres Plus dar? Selbst Pep Guardiola versucht dies gerade in München zu praktizieren.
Wir dürfen alle sehr gespannt auf die kommenden Monate blicken. Ich hoffe nur, dass man dem Trainer seitens des Vereins, der Spieler und auch der Fans genügend Kredit mit auf den Weg gibt und den gesamten, erneuten Umbruch fair und konstruktiv begleitet. Der Verein hat dies immerhin schon einmal getan, indem man ihn direkt mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet hat. Was natürlich solch ein Vertrag mittlerweile wert ist, dürfte allen leider bekannt sein. Für die Spieler selbst gilt es spätestens jetzt, endlich Leistung zu zeigen und zu erbringen und die Fans konnten ihren Willen nun durchsetzen und sind nun auch direkt in der Pflicht. Zwar war die Arena beim Qualifikationsspiel mit gut 30.000 Zuschauern gut besucht, vergleicht man das allerdings mit dem Qualifikationsspiel der Frankfurter Eintracht, so sollten auch die VfB-Fans schon etwas nachdenklicher werden.
Vielleicht lassen sich die vergangenen Wochen in Anklang an den Film „Blood Diamond“ mit folgenden Worten darstellen: „D-I-F - Das ist Fußball.“
Jetzt heißt es vorwärts schauen und Geduld und Ruhe bewahren! Das Wichtigste: Zeit.
Damit und mit den Worten unseres Vereins: Aufbruch 1893!
Euer Gunther