2014. Ein alternativer Ausblick.

Zu Beginn des neuen Kalenderjahres möchte ich ohne große Vorreden eine kleine Vorschau geben. Ein Vorausblick auf all das was kommen mag, vielleicht ja auch so passieren wird.

In diesem Sinne euch allen schon jetzt ein Jahr 2014, das es euch ermöglicht eure Wünsche umzusetzen, eure Träume hoffentlich wahr werden lässt und das ganz nach euren Vorstellungen verläuft. Viel Glück, viel Erfolg und allem voran selbstverständlich beste Gesundheit.

Der kühle Januar neigt sich dem Ende entgegen. Es ist ein eiskalter Abend, der heiße Atem entschwindet in den Tiefen und Weiten der dunklen Nacht. Als großer weißer Schleier windet er sich durch die Luft. Um dich herum hunderte von Menschen, zum Teil mit wärmenden Glühweinbecher in der Hand, obwohl die Zeit dafür sich schon dem Ende neigt, oder doch mit dem ein oder anderen Bierchen im Anschlag. Alle sind dick vermummt, wärmend eingepackt, wanken von einem auf das andere Bein, in der Hoffnung irgendwie bei Temperatur und Stimmung zu bleiben. Von weiter oben hört man dumpfen Gesang. Doch dieser verstummt recht bald wieder. Irgendwo aus einer anderen Ecke, eine Trommel, doch auch sie hält noch nicht lange durch. Das Durcheinander von Stimmen nimmt zu, der Widerhall wirft aus allen Ecken unterschiedlichste Gesänge zu dir, so langsam scheint es sich jedoch zu ordnen, das Echo wird lauter.

Das Gedränge steigt, immer mehr Menschen strömen auf die Ränge. Alle sind sie in den Stuttgarter Neckarpark gekommen und drängen in das weite Rund. Es ist ein Mittwochabend, die Anzeigetafel ist soeben auf 19:02 Uhr gesprungen. Nur noch wenige Minuten bis zum Anstoß.

Der Blick schweift langsam durch die Mercedes-Benz-Arena. Rechts über die mäßig gefüllte Haupttribüne hin auf die Untertürkheimer Kurve. Hier tummeln sich bereits sehr viele Fans in weiß und rot. Auf den gut gefüllten Ober- und Unterrängen liefern sich schon einige VfB-Fans Gesangsduelle mit dem benachbarten Gästeblock. Die Anspannung ist förmlich spürbar.

Wenige Tage zuvor wurde Mainz knapp geschlagen, jetzt kommt der große Konkurrent aus dem Südosten. Die Münchner Bayern sind zu Gast. Viele Jahre, zu viele Jahre sind sie dem Verein mit der Brustring-Tradition weit enteilt. An einen Sieg der Heimmannschaft glaubt niemand - an ein Wunder hingegen schon.

Leichter Nieselregen drängt in das Stadion. Seine mächtigen Schleier sind deutlich im Licht der Arena zu erkennen. Endlich wieder, ein Flutlichtspiel unter dem tiefdunklen Stuttgarter Nachthimmel. Auf der Anzeige und über die Stadionlautsprecher ertönt die Mannschaftsaufstellung des VfB. Gewaltige Unterstützung kommt aus der Cannstatter Kurve.

Und da kommen schon die Mannschaften auf das Feld. Ihnen voran der Unparteiische. Eine nicht ganz unwichtige Person, betrachtet man die letzten Aufeinandertreffen mit zahlreichen fragwürdigen Entscheidungen.

Auf in die Schlacht.

Das Spiel beginnt. Man merkt den Spielern den riesigen Respekt deutlich an. Nervosität ist vorhanden. Doch von den Rängen kommt mutige Unterstützung der treuesten Fans. Der Gästeblock hat keine Chance, findet kein Gehör.

Das Spiel plätschert vor sich hin. Die Temperaturen und das miserable Wetter tragen ihr übriges dazu bei. Doch bisher gab es für das Stuttgarter Gehäuse noch keine brenzlige Situation. Doch jeder weiß, das hat bei den Bayern nichts zu bedeuten. Und da passiert es. Wie aus dem Nichts, kurz vor Ende der ersten Hälfte verstummt das Stadion. Durch einen Stuttgarter Fauxpas gelangen die Münchner in Ballbesitz und bringen den Ball gekonnt im Tor der Gastgeber unter. Der Gästeblock ertönt erstmals lautstark.

Halbzeit. 0:1.

Doch schon auf dem Weg in die Kabine erklingen aufmunternder Applaus und ermutigende Anfeuerungsparolen von den Rängen. Nur 0:1.

Die zweite Hälfte beginnt der VfB stark. Der Regen scheint zugenommen zu haben, weite Teile des Rasens stehen unter Wasser. Die Stuttgarter leben. Sie kämpfen. Das merken auch die Fans und die Unterstützung von den Rängen ist massiv. Das gesamte Stadion fiebert mit den Jungs mit dem Roten Brustring. Die Trikots sind jetzt schon lange nicht mehr weiß. Ein Blick in die Gesichter der VfB-Spieler zeigt die Verbissenheit, zeigt die dreckverschmierte Haut. Die Mannen aus der bayrischen Landeshauptstadt sind plötzlich nicht mehr zu sehen. Sie haben keinen Zugriff auf das Spiel. Doch bisher bleiben die Angriffsbemühungen des VfB wirkungslos.

Noch.

Auf der Uhr verbleiben knappe zehn Minuten. Da flankt Christian Gentner weit in die Sechzehner. Der Ball wird länger und länger. Die Zuschauer halten förmlich die Luft an, es herrscht Totenstille im Stadion. Da rauscht aus dem Hintergrund die Nummer 28 heran. Er überspringt in einem wahnsinnigen Tempo alle Bayern-Verteidiger und köpft die Kugel zum Ausgleich ins Tor. Unhaltbar. Die Arena tobt. Rani Khedira läuft kurz vor die Cannstatter Kurve, seine Teamkollegen folgen ihm. Er verbeugt sich artig und krallt sich sofort den Ball aus dem Tor der Gäste. Seine Gesten gegenüber den Mitspielern sind unmissverständlich. Da geht noch was!

Eilig wird der Ball den bisher in der Liga und Pokal ungeschlagenen Bayern auf den Anstoßpunkt gelegt. Auch die Zuschauer bemerken, diese Mannschaft will an diesem Abend mehr. Etwas Außergewöhnliches liegt in der Luft. Die Massen fangen erneut gleichmäßig an zu wippen. Die Tribünen, das Stadion vibriert.

Doch der Gegenzug der Münchner läuft bereits. Die Angriffsfront baut sich rund um den Stuttgarter Strafraum vor der Untertürkheimer Kurve auf. Es gleicht einem Powerplay beim Eishockey. Die VfB’ler grätschen wagemutig dazwischen, können sich etwas Luft verschaffen. Doch die nächste Angriffswelle rollt erneut. Wie lange können die Jungs diesem Stand halten, wie lange halten sie noch durch? Die Nachspielzeit beträgt zwei Minuten. Sie neigt sich allmählich dem Ende entgegen. Doch da tankt sich einer der Bayern auf der rechten Seite durch. Er schafft den Sprint zur Grundlinie, legt den Ball in die Mitte, dort taucht ein Münchner frei vor Sven Ulreich auf. Niemand im Stadion kann mehr hinsehen, die Hoffnungen scheinen verloren. Der Angreifer versucht den Ball am Stuttgarter Keeper vorbei zu legen. Doch Ulreich ist unten, mit einem wahnsinnigen Reflex kann er den Ball gerade so abwehren.

Er hat ihn! Sven Ulreich hält den Ball fest und zögert keinen Moment ihn in den Lauf der gestarteten Stuttgarter Offensive abzuwerfen. Keiner schaut auf die Uhr, die Nachspielzeit dürfte in wenigen Sekunden vorbei sein. Kein Pfiff des Schiedsrichters. Martin Harnik hat den Ball, sprintet in Richtung Mittellinie. Von hinten rauscht ein Bayernspieler heran, verfehlt den Ball und holt den Österreicher im VfB-Dress unsanft auf den Boden. Doch dieser kommt gerade noch mit der Fußspitze an den Ball heran, spitzelt diesen eine Station weiter auf Alexandru Maxim. Der Schiedsrichterpfiff bleibt auch hier aus. Der Unparteiische entscheidet auf Vorteil und die rumänische Bobic-Entdeckung lässt sie schwäbische Offensivwelle weiterrollen. Auf Höhe des Anstoßpunktes hält er kurz inne und sieht den jungen, noch 17 jährigen, Timo Werner in einem höllischen Tempo am linken Spielfeldrand durchstarten.

Ein weiter Ball in Richtung der Cannstatter Kurve. Tausende von Kehlen brüllen förmlich den Ball zu Timo Werner. Gekonnt nimmt dieser den Ball mit der Brust an, kontrolliert ihn, lässt einen Verteidiger von rechts kommend locker aussteigen und steht nun in vollem Lauf alleine vor dem bayrischen Schlussmann. Was mag nun durch seinen Kopf gehen? Welche Gefühle hat er? Einige Male stand er exakt in der gleichen Situation, nicht immer von Erfolg gekrönt.

Die gesamte Arena hält plötzlich den Atem an. Timo Werner läuft auf den herausstürzenden Torwart zu, legt den Ball an diesem vorbei. Jetzt könnte man eine Stecknadel fallen hören, die allermeisten der 60.449 Zuschauer platzen vor Anspannung. Der Junge mit der Rückennummer 19 hat nur noch das leere Tor vor sich, er muss ihn nur noch einschieben. Der Ur-Stuttgarter fasst sich ein Herz und ballert den Ball mit einer brachialen Gewalt auf die Cannstatter Kurve zu und versenkt ihn im leeren Gehäuse der Bayern.

Die Arena explodiert.

Die gesamte Anspannung entlädt sich in diesem Moment, auf den Rängen gibt es kein Halten mehr. Das Stadion bebt. Viele der Fans auf den Stehplätzen finden sich an ganz anderer Stelle, einige Stufen höher oder tiefer wieder. Unmengen an Bier gelangen in den Stuttgarter Nachthimmel.

Auf dem Feld reißt sich Timo Werner sein Trikot mit der Nummer 19 vom Leib, rennt auf seine Kurve zu, geht im Jubel der Fans, im Jubel seiner Teamkollegen und der gesamten VfB-Bank unter. Das Spiel wird nicht wieder angepfiffen. 2:1.

Von den Bayern-Spielern ist wenige Sekunden später niemand mehr auf dem Feld zu sehen. Ein denkwürdiger Abend, eine unglaubliche Nacht.

Auf der Anzeigetafel leuchtet groß „2:1. 90. Minute +2. TIMO WERNER“.

 

Euer Gunther

 

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